ALBATROS – Die Vorgeschichte

20. Dezember 2008 Kommentare

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Es begann alles damit, dass mir ein Freund einen Reiseprospekt zeigte, in dem eine Segelschule am Ammersee Kurse für Segelinteressierte anbot. Wir informierten uns genauer und beschlossen, dieses Angebot zu nutzen. Als es Zeit wurde sich anzumelden sprang mein Freund ab, aber ich schickte die Unterlagen los. Da ich noch kein Auto hatte reiste ich mit der Bahn.
So kam es, dass ich voller Neugier und Spannung an einem Sonntag im Juli 1964 erstmals das Gelände der 1928 gegründeten Segelschule Seidl betrat.
Zu dieser Zeit wurde mit der Anmeldung zum Kurs gleich das Quartier und die Vollverpflegung mit gebucht! Als Quartier wurde mir, da Fußgänger, ein Zimmer im Haus der Fischerfamilie Josef Rauch zugeteilt. Zu den Mahlzeiten sollte ich mich im „Unterbräu“ einfinden. Ich schnappte also mein Bündel und marschierte los, das Fischerhaus zu suchen. Es lag gleich hinter dem Bahndamm, der sich wie ein Deich zwischen dem Seeufer und dem Ort Diessen entlangzog. Das „Unterbräu“ befand sich direkt gegenüber. Das war sehr praktisch: In kaum 5 Minuten war der Weg zwischen Quartier und Schule zu schaffen!
Bei einem ersten Rundgang auf den Steganlagen der Schule sah ich etwa 30 Boote, alle aus Holz gebaut und in den unterschiedlichsten Typen und Größen. Alle Boote trugen Vogelnamen. Zwei kleine Lugger z.B. hießen UHU und KAUZ. Dann gab es da eine NACHTIGAL, der Form nach ein altes Ruder-Rettungsboot mit einer Gaffel-Besegelung. Weiter las ich Namen wie BUSSARD, CONDOR, SCHWALBE, AMSEL, GIMPEL und PIROL.
Draußen vor den Stegen lagen noch drei größere Yachten an ihren Bojen.
Die größte davon war zweimastig und am Bug konnte man ihren Namen lesen: ALBATROS
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Dieses Schiff hat mich vom ersten Augenblick an fasziniert!

So konnte ich es kaum erwarten, erstmals auf dem Deck dieser Yacht zu stehen. Doch die ersten Stunden an Bord waren eher frustrierend: die erfahreneren unter den ca. 20 Mitseglern an Bord besorgten die anfallenden Arbeiten, und ich durfte nur mal an diesem Strick ziehen oder da mal eben festhalten. Das gefiel mir garnicht und ich beschloss, das Schiff und seine Takelung so schnell wie möglich kennenzulernen.
Beim nächsten Tag an Bord erkämpfte ich mir gleich einen „Arbeitsplatz“, um nicht wieder nur Mitsegler sein zu müssen. Dabei habe ich mir den „ALBATROS-Virus“ eingefangen!
In den folgenden Jahren verbrachte ich meinen Urlaub immer in der Seidl-Schule. So lernte ich alle Schiffe der inzwischen auf 40 Boote angewachsenen Flotte kennen und durfte sie auch alle als Bootsführer segeln. Nur die ALBATROS fehlt mir da noch – bis heute!
Die Jahre vergingen – längst segelte ich auf Oldtimern auf Salzwasser an spanischen, jugoslawischen und deutschen Küsten. Aber „Papa Seidl“ und seine Schule mit der ALBATROS war nicht vergessen.
Der Zufall ergab, dass ich im März 1988 mit der Familie am Ammersee vorbei kam. Eine Stippvisite bei der Schule war also Pflicht. Und dann geschah etwas, das mich sehr berührte: als wir uns der Schule näherten kam „Papa Seidl“ uns entgegen. Von weitem kam er schon auf uns zu und begrüßte mich mit den Worten: „Du hast doch auch schon bei mir gesegelt!“ „Ja, Herr Seidl, und das ist 15 Jahre her!“ war meine Antwort.
Danach war der Ammersee mit seiner Schule und der ALBATROS bei mir wieder ganz vorne im Kopf. Im Juli 1988 überraschte ich „Papa Seidl“ zu seinem 83. Geburtstag mit ein paar Mini-Sailern und einer kleinen Flotte von minisail-Modellen. Weitere Segelwochen folgten und die ALBATROS spukte immer wieder in meinem Kopf rum! Der „Virus“ war wieder ausgebrochen!
Das Problem: Es gab keine Unterlagen von diesem Schiff!
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Im Jahre 2001 übernahm Stefan Marx, ein alt eingesessener Ammerseefischer und bis dahin Inhaber einer Segelschule in Utting, die Leitung der Seidl-Schule. Damit war der Fortbestand der Schule und auch die Erhaltung der inzwischen 96 Jahre alten ALBATROS gesichert.
Nachdem wir uns in einigen Segelwochen beschnuppert hatten, machte ich einen neuen Anlauf, um an modellgeeignete Unterlagen zu kommen. Dann die Überraschung: auch ein anderer Modellbauer hatte schon diesbezüglich nachgefragt – und der lebte in Utting – hatte also die ALBATROS praktisch immer vor der Haustür. Aber Peter, so hieß er, hatte nicht viel Erfahrung und wusste nicht, wie er beginnen sollte. Nach einigen Telefonaten verabredeten wir uns für den 29. Nov. 2004 in Utting. Und damit begann für mich ein neues Kapitel mit der ALBATROS.

Im Winter 2004/2005 bekam die ALBATROS ein neues Deck mit Kajüte. Die Lady sollte ja zu ihrem 100. Geburtstag wieder fit und schön sein!
Sie wurde in eine leerstehende Fabrikhalle geschafft und in einer Ecke gerade abgestellt. Das war unsere Chance: Das Schiff stand frei zugänglich aber geschützt unter Dach. Peter und ich konnten beginnen, den Rumpf aufzumessen. Dies sollte die Grundlage für die späteren Zeichnungen werden.
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Mit Hilfe von Bandmaß, Laser-Messgerät, Zollstock, Latten, Winkeln und Wasserwaage wurden Messpunkte markiert, vermessen und die Zahlen in einem Protokoll festgehalten.
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Die Messpunkte der Spanten wurden im Abstand von einem Meter aufgenommen, weil wir das Modell 1:10 bauen wollten, da war es leicht zu rechnen. In der Höhe waren alle 20 cm Messstellen. An kritischen Bogen wurde senkrecht und waagerecht gemessen. Am Ende von zwei anstrengenden Tagen in der winterkalten Halle hatten wir einen ganzen Packen Protokollblätter mit ganzen Listen voller Zahlen für die Spanten und Deckslinien. Auch ein paar Fotos waren geschossen.
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Sowohl das Deck…
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… wie auch die Kajüte waren bereits abgenommen, so dass wir gut aufpassen mussten, wenn wir auf den Decksbalken rumkletterten, um Maße zu bekommen.
Da ich bis zum Frühjahr 2007 in meiner Werkstatt noch mit der PILGRIM reichlich Arbeit hatte, blieb es an Peter hängen, die Zahlenkolonnen der Protokolle in Spanten und Rumpflinien umzusetzen und zu zeichnen. Ich muss sagen, das hat er ausgezeichnet gemacht!
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Einige Maße wurden am restaurierten Boot nochmal überprüft.

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